Tagebuchseite -1032-

Glimmende Wünsche

Ich trete durch das Tor, das die Raunächte hinter mir lässt, das stille Leuchten in der Finsternis verlischt.

Was ich mitgenommen habe, ist die Leere, die das Ende des vergangenen Jahres in mir ausgebreitet hat. Ich finde mich auf ihrem kahlen Boden und weiß, dass ich seit vor der Weihnacht dort bin als alles verglühte, was ich bis dahin mit letzter Anstrengung am Brennen gehalten hatte.

Seither ist alles fort und nichts zu mir gekommen. Wo mich sonst die sanfte Ruhe der Raunächte erreichte, sah ich wohl noch die zarten Lichter. Aber in mir war es schon dunkel und das blieb es auch.

Irgendwie bin ich doch ins neue Jahr gekommen. Der Rauch der für mich viel zu lauten Silvesternacht ist als Grau geblieben, das nun Farbe meiner Leere ist.

Ich hatte nie Vorsätze für ein neues Jahr. So auch diesmal nicht. Aber ich habe ein paar wenige, kleine Wünsche, die so sehr bitten, lebendig werden zu dürfen, zu können, in diesem neuen Jahr. Ich höre ihr Flehen in meiner Leere und das rührt mich sehr, sehr an.

Aber ich habe keine Ahnung, ob sie je wahr werden können.

Denn da ist diese Welt, die so geworden ist, dass ich sie nicht mehr verstehe und dass ich den maßgeblichen Menschen darin nicht mehr folgen mag und ihnen widerspreche. Leise, weil ich es anders nicht darf. – Wie soll ich eine solche Welt Kindern erklären, ihnen Fähigkeiten und Optimismus vermitteln, in dieser Welt zu leben? Genau das aber ist meine alltägliche Aufgabe.

Ich bin nur noch Leere, und ein Grund dafür ist, dass ich an dieser Welt mehr und mehr zerbrochen bin. Nun bin ich selbst kaputt. Die zarten Lichter der vergangenen Raunächte waren eine letzte Sehnsucht.

Da wo ich ihn vermeintlich einmal hatte und wo er doch immer noch sein sollte, ist kein Halt für mich mehr, kein Netz, das mich auffängt und zur Ruhe kommen lässt. Und vor allem ist da keine Nähe mehr. Die Hoffnung, dass sich das noch einmal ändern könnte, ist gestorben.

Auch das ist ein Grund für die Leere.

In den letzten Tagen des verflossenen Jahres, während der ich mich erholen sollte und wollte, habe ich mich manches Mal vollkommen verloren. Wohl in der eigenen Leere.

Wenn nichts anderes mehr fühlbar ist, dann kann man sich in Leere verlaufen. Eine neue Erfahrung für mich. Eine verstörende, eine traurige.

Ich bin nicht im Reinen mit mir, dass es so gekommen ist.

Nun bin ich hier, mit meiner Leere durch das Tor gelangt, ins neue Jahr. Was ich außer der Leere fühle, sind Beklommenheit und Angst. Ich entzünde meinen kleinen Wünsche, auf dass sie glimmen im leeren Grau und vielleicht ein kleines Flämmchen werden gegen das, was ich empfinde.

So glimmen in mir:

  • der Wunsch für eine kleine Reise
  • der Wunsch Kraft und Ressourcen zu finden, zu bleiben und in Würde bleiben zu dürfen
  • der Wunsch nach einer schönen, besonderen Umarmung
  • der Wunsch, mich ein bisschen wiederzufinden
  • der Wunsch von den Menschen, die, obwohl viele von ihnen sehr fern, doch nah in meinem Herzen sind, nicht verlassen zu werden

***

eee gee sind die Initialen der dänischen Sängerin und Songschreiberin Emma Grankvist (33), die mittlerweile, mit einem Amerikaner befreundet, in New York lebt. Erst seit 2022, damals nahezu mittellos, steht Emma auf der Bühne, erreichte aber mit ihren melodisch eingängigen, mal romantischen, mal ernüchternden, immer textstarken Popmelodien, aus denen Hoffnung und Ironie gleichermaßen klingen, schnell Aufmerksamkeit.

Dennoch ist sie wohl immer noch eher ein „Geheimtipp“. Auch deshalb habe ich mich entschlossen, ein Lied von ihr aus ihrem neuen, 2023 erschienenen Album „SHE-REX“ hier zu teilen, ein sehr schönes, wie ich finde:

eee gee – „Promise to pick up the phone“

7 Gedanken zu “Tagebuchseite -1032-

  1. Hey lieber sternfluesterer,
    ich wollte dir unbedingt einen Kommentar da lassen.
    Dein Beitrag wirkt sehr ernst und nachdenklich, besonders der Satz „Wie soll ich eine solche Welt Kindern erklären, ihnen Fähigkeiten und Optimismus vermitteln, in dieser Welt zu leben?“
    Ich bin ja noch recht jung und habe mir immer Kinder gewünscht, frage mich aber auch wie es wohl ist als Kind in der jetzigen Zeit heranzuwachsen? Die Welt hat so viele Baustellen und Herausforderungen. Allein der Arbeitsalltag, der einem nur noch Leistung abverlangt. Krieg, der sich immer weiter ausbreitet und nicht weniger brutal wird. Aber auch die technische Weiterentwicklung, die wohl toll sein mag, obgleich ich mir doch manchmal eine Welt ohne wünsche, um abschalten zu können und nicht so sehr von Handy, sozialen Medien und co geprägt zu sein.
    Ich kann dir zwar keine Umarmung schenken, aber fühl dich virtuell gedrückt.
    Liebe Grüße,
    bloglaex

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    • So ein schöner Kommentar von Dir, liebe Alex, und ich komme erst so spät dazu, darauf zu reagieren und mich dafür zu bedanken. Aber das tue ich von Herzen – es ist schön, dass Du wieder einmal hier warst und Deine Umarmung nehme ich sehr gern an. –

      Vielen lieben Dank dafür und ebenso liebe Grüße an Dich! ✨💚

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    • Der Wunsch für die kleine Reise ist eigentlich ein großer aber auch besonders schwieriger, denn wenn ich ihn allein gehe, werde ich mich sehr überwinden müssen. Und dann ist da noch was: Ich habe, mit diesem Jahr leider immer mehr werdend, sehr nervende gesundheitliche Baustellen.

      Zwei davon sind mit erheblichen Schmerzen verbunden, die vor allem dann schlimmer werden, wenn ich unterwegs bin, mal eine etwas längere Strecke zu Fuß gehe zum Beispiel. Eine diese Baustellen ist nach Aussagen der Ärzte nicht mehr wirklich reparabel, ich bekomme da inzwischen Hilfsmittel, aber die Wirkung ist nur wenig spürbar.

      Vorigen Dienstag hat mich ein Tagesausflug schon buchstäblich ausgeknockt, ich habe den wirklich zwei Tage lang „verdauen“ müssen.

      Die dritte Malaise ist eine spezielle (auch da bin ich in Behandlung), die mir ziemliche Sorgen bereitet und auch etwas peinlich ist und meine unabhängige Beweglichkeit auch stark beeinträchtigt.

      Meinen Wunsch will ich deshalb nicht einfach streichen, aber es müsste wirklich einiges erstmal dringend wenigstens ein bisschen besser werden …

      Danke für Deine Nachfrage! 🙂

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      • Das tut mir leid zu hören. Ich hoffe, Dir wird so gut wie möglich geholfen und Du musst auch nicht allzu lange warten. Termine bei Fachärzten zu kriegen, sind ja schon halbe Lottogewinne mittlerweile.

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