Tagebuchseite -1023-

Vom Wert ein paar guter Erinnerungen und dem, was Menschenseelen wirklich brechen lässt

„Deine Gedanken brechen dir dein Herz“ – so habe ich es soeben in einem Reel gelesen und sinniere nun darüber, wie viel Wahrheit dieser Satz auf mich bezogen wohl enthält. Immerhin sind meine Gedanken grundsätzlich tiefe. Oberflächlich zu denken und meine Natur, mein Charakter, sind Antagonismen.

Ich habe es in all meinen Lebensjahren nie vermocht, an der Oberfläche zu bleiben, obschon ich mir das manchmal gewünscht habe, ahnend, dass das Vermögen, eine Situation, eine Etappe, Lebensabschnitte leichter nehmen zu können, ein Herzbrechen wenigstens weniger schwer sein lassen würden

Aber etwas an und in dem Satz da oben lässt mich aufbegehren. Wenn es wirklich meine eigenen Gedanken sind, die mein Herz, meine Seele brechen lassen, dann bedeutet das nichts weniger, als dass ich selbst mein Herz und meine Seele zerstöre, denn meine Gedanken sind mir immanent, spiegeln mich, meine Persönlichkeit, sind ICH.

Allerdings ist das, was sie entstehen lässt, keineswegs nur in mir verortet oder begründet, sondern in weit stärkerem Maße in meiner Umwelt, dem und jenen, das und die mich umgeben, das und die meine Realität ausmachen, das, was jeden Tag Gegenwart wird und ist, Realität.

Brechen mir also wirklich meine eigenen Gedanken das Herz oder ist es doch vielmehr die mich umgebende Realität?

Kürzlich erst habe ich geschrieben, dass ich es nicht mehr aushalte im Hier und Jetzt zu leben. Den ich in der Gegenwart existieren lasse, ist ein maskierter Teil meiner selbst. Ich habe früher nie eine Maske tragen wollen und ich verabscheue es auch heute noch. Aber ich tue es nunmehr dennoch. Nur so kann ich mich wenigstens ein bisschen schützen und doch vor allem den Kindern, die mir anvertraut sind, von meinem Wissen, von meiner Erfahrung, und von meinem Herzen geben.

Den, der ich eigentlich bin, kennt kaum noch jemand. Viele derer, die mich einmal kannten, haben sich längst abgewandt, sind auf Distanz oder ganz gegangen. Es gab Zeiten, wo ich das beklagt habe. Nunmehr strenge ich mich an, mich damit abzufinden. Damit es nicht fortgesetzt so weh tut.

Auch Erinnerung kann Gegenwart sein. Eine andere Welt im Hier und Jetzt, in der aktuellen zeitlichen Dimension und zugleich doch gar nicht existent in ihr, sondern in der eigenen verbleibend. Ein Paralleluniversum. Menschen, die die Gegenwart, die Realität des Hier und Jetzt nicht mehr aushalten, auch solche, die älter werden, fliehen und leben in solche/n Universen. Wenn es denn wenigstens ein paar schöne Erinnerungen gibt, kann das ihr Überleben sein.

Ganz anders, als wenn sie dem Rat „im Hier und Jetzt zu leben“ folgten. Menschen, die diesen „Rat“ geben, können meist nicht ermessen, was sie damit im Zweifel anzurichten imstande sind. Sie nennen jenen Raum, jenes Universum, in dem sensible, von Ängsten verfolgte, depressive, einsame Menschen, Zuflucht suchen, gar „Komfortzone“ und werden nicht müde, mehrheitlich immer unnachgiebiger werdend, deren Verlassen zu fordern. „Du musst es nur wollen!“, so sprechen sie und: „Du wirst sehen, wenn der erste Schritt erst getan ist, wird bald alles besser.“

Woher nehmen diese Menschen die Sicherheit (oder Unverfrorenheit?), das wissen, das beurteilen zu können oder gar zu postulieren, dass ihre Gewissheit allgemeingültig sei. So viele, die sich „Coaches“ nennen, „wissen“, wie es geht, was jemand und somit jeder tun muss, damit alles, damit er oder sie den richtigen Gang gehen. Jenen Gang in schwarz und weiß, den unsere Realität, unsere Gegenwart einfordert und ausmacht. Den Gang an dem mein Herz, meine Seele zerbricht, seit langer Zeit schon und mit jedem Jahr mehr …

Die Bahn der Sonne, die ich sehen kann, wird in diesen Tagen wieder kürzer und kürzer. Die Zeit, die mir grundsätzlich die schwerste ist im Jahreslauf, wird damit eingeläutet. Ich wehre mich dagegen, daran zu glauben, dass es wieder so wird, auch, weil der diesjährige Sommer schon so ein schwerer war.

Stattdessen versuche ich mir vorzustellen, dass die Sonne ja auch dann leuchtet, wenn ich sie nicht sehe. Und dass sie also immer sieht und Zeuge ist von allem, was ist und geschieht, was ich wie wahrnehme und was mich umtreibt. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte wahrhaftig glauben, darauf vertrauen, WISSEN, dass die Sonne etwas ist, oder etwas hinter ihr, jene freundliche Macht, die gefunden hat, was Liebe ist und welche die Hoffnung hatte, die Menschen könnten die Liebe annehmen und mehren.

Aber ich vermag nicht so zu glauben und ich sehe jene Hoffnung einsam werden, immer einsamer, mit jedem Tag.

Dennoch nichts beklagen, vor allem nicht sich selbst –  in und mit Erinnerungen überleben – noch vom eigenen Herzen geben, das hat ebenso wenig mit Komfortzonendasein zu tun, wie es die eigenen Gedanken sind, die das Herz oder die Seele eines Menschen brechen lassen.

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„Tränen“ ist ein Songprojekt, das aus der Sängerin und Songschreiberin Gwen Dolyn und Steffen Israel“, dem Gitarristen der Band „Kraftclub“, besteht. Ihre erste gemeinsame Single verkörpert eine Sparte deutschsprachigen Indie-Pops, die sogenannte „Neue neue deutsche Welle“. In „Stures dummes Herz“ geht es um Zerrissenheit, Gefühlschaos und die Frage, ob alles vielleicht doch nur eine kurze Liebesgeschichte ist. Es ist ein in besonderer Weise hörenswertes Lied, das auf das für den 3. November dieses Jahres angekündigte erste Album von „Tränen“ mit dem Titel „Haare eines Hundes“ ebenso neugierig macht, wie auf die für 2024 geplante große Tour der beiden Musiker.

Tränen – „Stures dummes Herz“

4 Gedanken zu “Tagebuchseite -1023-

  1. Dieser Satz regt tatsächlich auch mich zum Nachdenken an. Wenn unsere Gedanken wir selbst sind, dann heißt das wir sind selbstzerstörerisch. Wir zerstören uns selbst. Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Gedanken bin. Gedanken entstehen aus mir heraus, aus meinen Empfindungen und Erleben heraus, und führen mehr oder weniger oft ein Eigenleben. Manche Gedanken kann ich kontrollieren, andere entziehen sich meiner Kontrolle. Gedanken könnte man also mit Tiere vergleichen. Da wuseln Haustiere und Wildtiere in unseren Köpfen herum, jedenfalls in meinem. Ich glaube, und hoffe sehr, dass ich viel mehr als meine Gedanken bin. Definitiv hätte ich es ohne sie in vielerlei Hinsicht leichter. Nichtsdestotrotz machen mich meine Gedanken aber auch irgendwie aus. Ohne sie würden keine meiner Texte und Gedichte auf die Welt kommen und das würde wiederum bedeuten, dass mir etwas Wichtiges im Leben fehlt, das mich zur Ruhe bringt und die Realität für ein paar Momente vergessen lässt.

    Danke für deine Worte und vor allem deine wertvollen Gedanken, lieber Sternflüsterer 🤍

    Je tiefer das Wasser, desto mehr Lebewesen wohnen darin, darunter auch so manche Ungeheuer. Ich bin froh ein tiefes Wasser zu sein. Wir fühlen intensiver. Ja, das ist nicht immer schön und kann sehr weh tun. Aber wir haben die Fähigkeit auch den klitzekleinsten Dingen die Schönheit zu erkennen, die für seichte Wasser unsichtbar bleibt.

    Ich wünsche dir einen wundervollen Tag ✨

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    • “ Ich bin froh ein tiefes Wasser zu sein. Wir fühlen intensiver. Ja, das ist nicht immer schön und kann sehr weh tun. Aber wir haben die Fähigkeit auch den klitzekleinsten Dingen die Schönheit zu erkennen, die für seichte Wasser unsichtbar bleibt.“

      Das ist mir so vollkommen aus dem Herzen geschrieben, dass ich mich traue, Dir dafür (wenigstens) eine virtuelle Umarmung 🤗 zu schicken.

      Deine anderen Gedanken waren für mich ebenfalls wieder sehr interessant, angenehm und anregend zu lesen. Auch für mich sind meine Gedanken, meine Empfindungen, das, woraus Poesie erwachsen kann, es ist eine Art Verarbeitung von Gesehenem, Gehörtem, Gefühltem.

      Von Herzen liebe Grüße an Dich! ✨💚

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  2. PS: Danke für deinen Besuch und deine Kommentare auf meiner Seite, ich habe mich sehr gefreut! Und habe dir dort geantwortet – bin nicht sicher, ob das mit den Benachrichtigungen einwandfrei funktioniert 🙃

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    • Leider klappt das mit den Benachrichtigungen bislang nicht, obwohl ich Deinen Blog nun abonniert habe. Aber ich komme Dich auch so immer wieder besuchen und schaue dann auch, ob Du mir ein paar Zeilen dagelassen hast. 🙂✨

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