Sammelsurium -135- (Fünf Sprüchlein, ein Schnipsel und ein Lied)

Die Stille auf den Blättern meines Tagebuchs ist keine leise. Leere Seiten können so laut sein.

In den Lärm, in die Unruhe, die sie bergen, lege ich wieder einmal ein paar aphoristische Gedanken, die keinem Pfad und keiner Regel folgen, die aus mir gekommen sind, an Morgen, an Abenden, in Nächten, an den unterschiedlichsten Orten … :

Die schönsten Orte sind dort, wo unsere Sehnsüchte auf Antworten treffen.

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Erst im Kontext mit vielen Anderen ist ein Mensch einzigartig und ist darin doch ganz allein.

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Wie bizarr das ist: Erst ein Pass macht heutzutage einen Menschen.

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Keine Despotie, keine Autokratie, die Bürokratie ist jene Herrschaftsform, die die Demokratie tatsächlich zu besiegen vermag.

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Sollte es nochmals eine Sintflut geben, wird man das vormalige Gebiet Deutschlands unzweifelhaft daran erkennen können, dass dort die meisten Formulare oben schwimmen werden.

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Schnipsel (31)

Was noch ist

Endlich war die Tür hinter ihm zugeschlagen. Mit einem letzten großen Schritt, der kaum noch die Schwelle zu erreichen vermochte, hatte er es doch wieder geschafft. Geschafft auf die Insel der Zeit, die nichts forderte. Eine sehr kleine Insel, die er bald würde schon wieder verlassen müssen …

Aber nun war er gerade angekommen und es war Stille, wahrhaftige Stille.

Jetzt, in diesem ersten Moment der Ruhe, fühlte er, wie alles von ihm gegangen war.

Ja, es war schon fort, aber er spürte es erst jetzt. Und es fühlte sich sogar schön an.

Dass er selbst es war, der nun fort war, dass er es war, der sich schon längst verloren hatte, ohne es bemerkt zu haben, das realisierte er erst Tage später, dann aber mit jeder Stunde, jeder Minute mehr, intensiver, schmerzhafter.

Es waren jene wenigen Tage, die die kleine Insel ihm hatte bereithalten können, während der er hier einen winzigen Traum und dort einen bescheidenen Wunsch leben wollte. Das, was ihm noch einmal die Kraft verliehen hatte für jenen letzten großen Schritt auf die Schwelle der Tür, die den Alltag für einen Wimpernschlag hinter ihm zurückließ.

Aber nun war er ja fort, hatte sich irgendwo, irgendwie verloren.

Und so war niemand mehr da, der den Traum oder den Wunsch hätte leben können.

So ging die Tür wieder auf und stoisch verließ sein furchtbar stark gewordener Schmerz die kleine Insel hin zum Alltag, dem er nie entkommen konnte, obwohl er doch längst darin verloren gegangen war.

Schmerz:  Das Leben, das er noch war, das er noch ist.

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Als Schlagzeugerin, Sängerin, Vibraphonistin, Komponistin, Autorin und treibende Kraft ihres Soloprojekts ist Isolde Lasoen (geboren am 31.12.1979 in Brügge – Belgien) eine echte DIY- und unabhängige Künstlerin. Ihr Stil kann als Vintage, cineastisch, jazzig, reichhaltig, melancholisch und eklektisch beschrieben werden. Charakteristisch sind ihr Schlagzeug, ihre verführerische Stimme, beeindruckende Arrangements und schöne Instrumentalstücke. Isoldes Musik ist voll von eingängigen Melodien, episch anmutenden Kompositionen, dramatischen Akkorden und orchestralen Streicherarrangements. Weniger ist mehr, außer in der Musik.  (© Isolde Lasoen auf spotify)

Das wunderbare Lied, das ich heute hier teile, singt sie gemeinsam mit dem 1963 in Bastia auf Korsika geborenen Musiker, Komponisten, Produzenten und Sänger Bertrand Burgalat.

Isolde Lasoen feat. Bertrand Burgalat – „Douce Mélancolie“

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